Freigeist    Errorhead aka Marcus Nepomuk Deml hat es geschafft sich sowohl als Gitarrist als auch Komponist mit  dem eigenen musikalischen Projekt internationales Renomée und kommerziellen Erfolg zu erspielen. Doch hinter einer solchen erfolgreichen Karriere steckt auch ein langer Weg mit Tiefschlägen, Enttäuschungen und Erkenntnissen. Marcus Deml ist Absolvent  des renommierten Guitar Institute of Technologie Los Angeles wo er zunächst als Schüler von Scott Henderson, Larry Carlton, Frank Gambale und Paul Gilbert sein Handwerk erlernte um dann später selbst dort als Dozent zu unterrichten. 

Als einer der wenigen Europäer wurde der in Prag geborene Musiker 2005 für sein Projekt Errorhead mit der höchsten Auszeichnung, dem Guitar Hero Award“ des amerikanischen Guitar Player Magazin ausgezeichnet, den er in der Rock´n Roll Hall of Fame in Cleveland von Joe Satriani und Steve Lukather entgegen nehmen durfte. Seit seinen ersten beiden Alben mit Errorhead gilt Marcus Deml als der neue Jeff Beck. Anlässlich der Veröffentlichung seiner Live DVD „Modern Hippie“ zum Auftritt von Errorhead beim Jimi Hendrix Festival Fehrmarn, haben wir uns mit Marcus Deml  zum philosophischen Talk verabredet.

LPG: Was ist eigentlich unter einem Errorhead zu verstehen und inwieweit hat das auch mit deiner  Musik zu tun ?

MD: Errorhead meint ja so etwas wie Wirrkopf. Wobei das bei uns so etwas wie „Freigeist“ bedeutet. Was wiederum eine Legitimation ist, uns an jedem Musikstil zu bedienen der uns gefällt.

LPG: Du genießt mittlerweile als Musiker internationales Renomée und bis dafür auch mit höchsten Weihen ausgezeichnet worden. Hast für Künstler wie Kingdom Come, Bobby Kimball, Saga, Rick Astley, Sven Väth und Laith Al Deen gespielt. Trotz allem bist Du mehr und mehr dazu übergegangen, dich nur noch Deinem eigenen Projekt "Errorhead" zu widmen. Ist dieser Weg das Ziel ?

MD: Ich habe mich vor 3 Jahren aus dem Session Business zurückgezogen, da ich mich voll und ganz auf Errorhead konzentrieren wollte. Zum einen hatte ich einfach keine Lust mehr ausschließlich für andere Künstler zu spielen, da es sich dabei, trotz aller Glorifizierung, nur um einen Handwerker-Job handelt, den ich bis dato mein ganzes Leben ausgeübt hatte. Künstlerische Verwirklichung gibt es als Dienstleister eher selten, da die meisten Produzenten nicht nach Eigenständigkeit , sondern eher nach Variationen bzw. Repliken bekannter Gitarren-Parts suchen.Ich habe mir die simple Frage gestellt, was die Motivation dafür war Berufsmusiker zu werden. Dabei habe ich festgestellt, das es mir nichts bedeutet ein Teil von einer Produktion zu sein, egal wie erfolgreich diese auch sein mag. Und erst recht dann, wenn es mir musikalisch nicht zusagt. Des weiteren glaube ich dass man 110% Energie für ein eigenes Projekt einbringen muss. Was nicht funktioniert, wenn man 12 Stunden für andere Leute im Studio sitzt und dann noch auf Tour geht. Der Weg ist insofern das Ziel, als dass man alle wirtschaftlichen Ängste über Bord wirft und man endlich seinen Traum lebt.

LPG: Was ist das richtige Rezept sich unter der Vielzahl an begnadeten Mitbewerbern als Solo-Künstler durchzusetzen ?

MD: Als Grundvoraussetzung  muss man an sich und seine Musik glauben, wobei uns von Anfang unsere Fans irrsinnig unterstützt haben. Eigenständigkeit ist ebenso wichtig für einen langlebige Karriere, auch wenn es von der Industrie eher ungern gesehen wird, weil der schnelle Erfolg eher Unwahrscheinlich ist.Das aller wichtigste neben Talent und harter Arbeit ist aber Durchhaltevermögen.Die meisten talentierten Bands die wieder von der Bildfläche verschwunden sind, hatten kein Durchhaltevermögen.Sie ließen sich von Rückschlägen jeglicher Art so demoralisieren, das sie aufgegeben haben.In der Historie von Errorhead ist so viel Negatives passiert, dass die meisten dazu veranlasst hätte sich neu zu orientieren.

LPG: Es ist als Instrumentalkünstler auf den Saiten mit Sicherheit nicht immer einfach das Publikum über ein ganzes Konzert in den Bann zu ziehen, oder ? Wie kommerziell muss man da klingen und gehört dazu auch Show und Entertainmemt ?

MD: Wenn man vor der Entstehung der eigenen Musik schon darüber nachdenkt, wie kommerziell man diese gestalten muss um Erfolg zu haben, hat man ein Problem. Ich habe zuerst immer an die Musik gedacht, und mir  dann erst überlegt wie man sie vermarkten kann. Was  sicherlich sehr blauäugig ist. Aber dadurch hat die Begeisterung bei mir nie abgenommen. Dennoch unterhalten wir die Leute in erster Linie. Wir nehmen nicht alles so Bierernst wie viele andere Virtuosen, erzählen lustige Geschichten, beziehen unser Publikum mit ein und haben dabei zwei Stunden Spaß, ohne irgendeinem Klischee oder kommerziellen  Vorstellungen entsprechen zu müssen.

LPG: Du spielst live in klassischer Power-Trio-Bestzung und hast mit Frank Itt an den Saiten ja auch noch einen begnadeten Hingucker als Sideman. Wie wichtig  sind die Mitmusiker für den erfolgreichen Errorhead ?


MD: Wir haben eine tolle Band. Und auch wenn Errorhead mein „Baby“ ist,  würde ich am liebsten auf ewig in dieser Besetzung spielen. Musikalisch und menschlich gibt es keinerlei Probleme. Und abgesehen mal von meiner Person, zickt und krakelt auch niemand herum. Es ist so ein Gefühl wie in der ersten Band mit vierzehn Jahren. Vier Jungs gegen den Rest der Welt.

LPG: Gibt es Gitarren zu denen Du einen besonderen Bezug hast ? Du warst ja sehr lange erfolgreicher Yamaha-Endorser und auch Hersteller wie Fender zeigen großes Interesse an Dir. Ist es ab einem gewissen Niveau gleichgültig welche Gitarre man spielt; der Sound kommt doch aus den Fingern, oder ?


MD: Meine weiße und schwarze Strat sind meine absoluten Lieblingsinstrumente. Sie klingen meiner Meinung nach besser als alle anderen Gitarren die ich besitze oder je besessen habe. Sie haben eine Persönlichkeit und Dynamik die mir sehr, sehr wichtig ist. Und wenn ich auf anderen Instrumenten spiele, passiert es schon mal, dass ich mich nicht so wohl fühle und dadurch auch schlechter spiele. Selbstverständlich kommt der Ton aus den Fingern. Was ich häufig beobachten konnte, wenn andere Leute über meine Gitarre und Anlage spielten. Dennoch bin ich immer darauf bedacht, meinen Sound zu optimieren. Und wenn man die Möglichkeit hat auf derart außergewöhnlichen Instrumenten zu spielen, ist es schwierig sich auf andere Gitarren einzulassen.

LPG: Es ist allgemein bekannt, dass Du ausschließlich Tube Thomson Verstärker spielst. Was haben diese Amps was andere nicht haben ?


MD: Die Tube Thomsen Amps spiele ich aus absoluter Überzeugung. Wir haben zwei Jahre lang an dem Errorhead Top Teil gearbeitet, mit dem Ziel den besten Allround-Amp der Welt zu machen, der sowohl absolute Vintage Freaks als auch modern orientierte Player anspricht.Das ist uns meiner Meinung nach auch gelungen.Ich besitze viele Vintage- und Boutique-Amps die alle ihre Stärken haben. Aber keiner dieser tollen Verstärker überzeugt in allen musikalischen Situationen. Jetzt muss ich nicht mehr vier verschiedene Amps mit mir herum schleppen, sondern alles kommt aus einem Topteil.Heutzutage ist es schwierig eine Firma zu finden die solch einen Wahnsinn mitmacht, und keinerlei Rücksicht auf Zeit, Kosten und Marketingstrategien nimmt, sondern nur das eine Ziel hat: Das bestmögliche Produkt zu produzieren. Ein anderer Hersteller, der sich darauf eingelassen hat, ist Kloppmann Pickups, die jetzt auch mit einem Signature Tonabnehmer Set auf den Markt kommen werden, welches in seiner Art eine ähnliche Philosophie verfolgt.

LPG: Wie war das denn zu Deinen Anfängen, warst Du schon immer ein Equipment-Freak ?


MD: Ich war schon als Teenager ein Equipment-Junkie, was oftmals mangels Finanzen nicht umgesetzt werden konnte. Ich bin fasziniert von den Möglichkeiten des puristischen Tons, aber auch von experimentellen Klängen und Effekt Sounds. Es macht mich wahnsinnig glücklich wenn ich neue Sounds kreiere und die auch kompositorisch zu einer Bereicherung werden. Dies alles unter einen Hut zu bringen und nicht mit einer 800 Kilo schweren Anlage zu reisen, ist eine Herausforderung.

LPG: Du hattest als junges Gitarren-Talent die Möglichkeit nach L.A. an das G.I.T zu gehen. Damals Traum aller Musiker dort studieren zu dürfen. Wie siehst Du das im Nachhinein auf Deine eigene Entwicklung
und würdest Du dem heutigen Gitarren-Nachwuchs auch zu diesem Schritt raten, wenn für diese die Möglichkeit bestünde ?

MD: Ich halte es für einen Künstler generell für wichtig, soviel wie möglich in der Welt herum zu kommen und sich soviel als möglich an musikalischer Bildung anzueignen. Ich hatte das Glück beides im zarten Alter von 19 Jahren miteinander verbinden zu können, was sich für mich als Schule des Lebens herausgestellt hat. Das Studium war aufgrund vieler Aspekte eine Offenbarung. Ich konnte mich zwei Jahre lang, 14 Stunden am Tag auf Musik und Gitarre konzentrieren, wodurch ich meine musikalischen Fähigkeiten nahezu täglich verbessern konnte. Zudem war man in einem ungeheuer aktiven und begeisterungsfähigen Umfeld umgeben, mit tollen Dozenten und Mitschülern die  einen immer wieder anspornten. Mein Talent und Geschick verhalf mir in kurzer Zeit dazu, in Los Angeles Jobs als Gitarrist zu bekommen.

LPG: Welches waren denn deine Heroen und gibt es diese auch heute noch ?

MD: Ich hatte schon immer einen breitgefächerten Musikgeschmack. B.B King und Albert Collins waren die ersten Gitarristen deren Platten ich bereits als Kind studierte.Johnny Winter, Rory Gallagher, Richie Blackmore natürlich  Jimi Hendrix waren die ersten Jahre täglich auf dem Plattenteller. Danach kam meine Jazz und Fusion Phase, in der ich anfing mich für Michael Sagmeister und John Mclaughlin zu interessieren. Mit 16 Jahren dann holte mich ein Fernsehauftritt von Gary Moore zur Rock Gitarre zurück und verfiel dabei endgültig der Stratocaster. Ich bin schon immer von vielen Gitarristen sehr begeistert gewesen. Das reicht von Django Reinhardt bis Allan Holdsworth, Eivind Aarseet bis Wes Montgomery. In den vergangenen zehn Jahren hab ich mir bewusst keine Gitarrenplatten mehr gekauft, sondern mich wieder mehr der Klassik und dem Jazz zugewandt. Ab und an ist aber auch noch die ein oder andere Popproduktion mit dabei. Die meisten Musiker von den ich gelernt habe sind ungeachtet ihres kommerziellen Erfolgs immer noch sehr aktiv und spielen an jeder Steckdose.

LPG: Beobachtest Du die musikalischen Entwicklungen, die sich so in den Charts abzeichnen oder hast Du mit diesem Kapitel abgeschlossen ?

MD: Ich verschließe mich gegenüber den Charts nicht, obwohl
sicherlich einiges extrem unmusikalisch ist, aber ich versuche auch da ohne vorgefertigte Meinung ran zu gehen. Es ist meist relativ schell erkennbar ob die Musik aufrichtig ist, oder nur ein Vehikel ist um berühmt zu werden.

LPG: Wird es außer Errorhead auch noch mal Marcus Deml als Sideman eines internationalen Acts geben ?    Du hast schließlich schon lukrative Angebote zugunsten Deines Projektes abgelehnt.

MD: Ich bin sehr glücklich in der privilegierten Lage zu sein, von meiner eigenen Musik leben zu können. Dies bedeutet aber auch, dass sich mein Tag in 6 Stunden Buisiness und 6 Stunden Musik machen aufteilt.              
Dadurch wird es schwierig noch andere Projekte zu realisieren. Wenn mich jetzt aber ein Projekt musikalisch weiterbringen würde, wie in jüngster Vergangenheit die Electric Outlet Band (Ralf Gustke, Frank Itt und Tom Aeschbacher) oder etwa mit Billy Sheehan zu spielen,  
mache ich das natürlich.
 
LPG: Was würdest Du als "worst" and "worthiest" Erfahrung in Deiner Karriere bezeichnen ?

MD: Die „wertvollste“ Erfahrung habe ich jedes Mal, wenn wir ein Konzert spielen. Ich bin dann der glücklichste Mensch der Welt. Und gleich auch was an negativen Vibes um mich herum passiert, ist dies beim ersten Ton auf der Bühne vollkommen vergessen. Das absolute „worst case“ Scenario  gab es bei der ersten Errorhead Tour vor zehn Jahren, als wir den Support für eine bekannte Alternative Band spielten.Wie wurden jeden Abend von 2000 erhobenen Mittelfingern und einem gellendem Pfeifkonzert begrüßt. Und das bevor wir auch nur einen Ton gespielt hatten. Man hat uns erzählt, das alle anderen Support-Acts, die dieses Schicksal vor uns geteilt hatten, sich danach aufgelöst haben. Nun, uns hat es nicht geschadet... .

Text & Interview: LPG

Fotos: Claus Doepelheuer / Gerrit Gätjens / Volker Beinhorn
    

Links:

www.errorhead.com
www.myspace.com/marcusdeml


Records:

Errorhead (2001)
Errorhead Rhythm (2004)
Modern Hippie (2008)

Errorhead "Live" (2010)

DVDs:

Errorhead Guitar Secrets (2009)
Modern Hippie´s Live At Your Home (2010)

 

 


 

 

Die Funk-Eminenz

                            

 

Bootsy Collins hat es geschafft bereits zu Lebzeiten eine Legende zu werden. Der Bassist dessen Sound James Brown´s  „Sex Machine“ angeschoben hat, mit George Clinton und Parliament Funkadelic den P-Funk begründete und mit seiner Rubber-Band eine neue Ära schuf, ist weit mehr als ein außergewöhnlicher Mensch und Musiker. Bootsy Collins ist eine Trademark und erlesenes Mitglied in der „Hall of Fame“. Anlässlich der Promo-Tour zu seinem jüngsten Album „The Funk Capitol of the world“ bekamen wir eine Audienz bei der Funk-Eminenz.


 

Als Ü60-iger blickt William „Bootsy“ Collins mittlerweile auf eine über 40 Jahre andauernde Karriere zurück in der er einige musikhistorische Meilensteine hinterlassen hat. Von seinen Lehrjahren als Mitglied der Band des „Godfather of Soul“ James Brown über die Gründerzeit des P-Funk mit George Clinton und den Parliament Funkadelic bis zu den erfolgreichen Jahren mit der eigenen „Bootsy´s Rubber Band“ legt er nun nach fünfjähriger Pause mit „The Funk Capitol of the world“ sein inzwischen dreiundzwanzigstes Album vor.  Es ist zugleich eine Retrospektive seines Schaffens und Würdigung der eigenen musikalischen Vorbilder und Weggefährten, von denen, wie er mit Wehmut feststellt, bereits viele nicht mehr am Leben sind. Darunter auch sein im vergangenen Jahr verstobener Bruder und Gitarrist Catfish Collins. Aber Bootsy Collins scheint ungebrochen und versprüht bei seinen Auftritten immer noch dasselbe Charisma wie in jungen Jahren. Er ist ein Prediger des Funk und lebt ihn in jeder Sekunde. Ebenso hat ihn sein extrovertiertes Äußeres längst zu einem Markenzeichen werden lassen. Etablierte Stars wie SnoopDog, IceCube, Chuck D und Samuel L. Jackson ließen sich nicht lange bitten, als es um Gastauftritte zu seinem neuen Album ging. Und auch Werbeagenturen, Filmleute, TV-Sender und Konzerne wissen längst um das hohe Vermarktungspotential des Bootsy Collins. So z.B. in einem Werbespot von Motorola, in dem er zusammen mit Madonna zu sehen gewesen ist. Aber er nutzt diese Popularität auch für sein eigenes, gemeinnütziges Projekt. Mit seiner Bootsy Collins Foundation fördert er unter dem Motto „ Say it loud - an instrument for every child !“ die freie Vergabe von Musikinstrumenten an Kinder und Jugendliche. Damit diese, wie er sagt „eine Perspektive und Vision haben und es sie davon abhält auf die schiefe Bahn zu geraten und auf der Straße enden.“ Bootsy Collins, so scheint es, lebt ein durchweg erfülltes Leben und ist aber noch längst nicht an all seinen Zielen angekommen. „Dafür sind es immer noch zu viele Ideen und Projekte“, die er von seinem Bootzilla World Headquarter in Cincinnati im Staate Ohio aus dirigiert.

LPG: Bootsy, wie man hört warst Du es der auch Larry Graham in die „Family of Warwick“ gebracht hast.   Stimmt das ?

B.C.: Ja, weil ich das Gefühl habe, das Warwick nicht nur hervorragende Instrumente baut, sondern dass das hier auch eine ausgezeichnete Plattform für uns Bassisten ist. Wir haben auch schon mit Verdine White (Earth, Wind & Fire) gesprochen, der dieses Mal aber leider noch nicht kommen konnte, weil er gerade auf Tour ist. Aber es sieht ganz gut aus, dass er mit an Bord ist.

LPG: Nach über fünf Jahren ohne Veröffentlichung kommt nun in wenigen Tagen Dein neues Album auf den Markt. Was ist denn in der Zwischenzeit bei Dir alles so passiert ?

B.C.:  Nun, ich war in einigen anderen Projekten eingebunden, habe viel für und mit anderen Künstlern gearbeitet. Außerdem habe ich die Bootsy Funk University gegründet, wo wir in Online-Kursen unser Wissen an den Nachwuchs weitergeben. Als erstes wollte ich eigentlich eine richtige Schule mit einem Unterrichtsgebäude und dem ganzen Drumherum haben. Aber dann begegnete ich Cory Danziger, der diese Schule mittlerweile für mich managt. Er versteht sehr viel von der Materie Internet und überzeugte mich, dass es, was die Verbreitung und Kostenstruktur anbelangt wesentlich sinnvoller ist, eine virtuelle Universität im World Wide Web zu gründen. Und so wie es sich bisher entwickelt hat, scheint das die absolut richtige Entscheidung für uns und die Studenten gewesen zu sein. Wir erreichen eine Menge mehr an Menschen, als dies der Fall mit einem festen Firmensitz und gewohnten Strukturen sowie verbindlichem Unterrichtsplan der Fall gewesen wäre. Und dann ist da noch die Bootsy Collins Foundation die vor einiger Zeit ins Leben gerufen worden ist. Wir haben es uns hier zur Aufgabe gemacht staatliche Schulen hinsichtlich der musikalischen Ausbildung zu unterstützen. Viele Schulen in den Vereinigten Staaten haben einfach kein Geld solche Dinge zu finanzieren und stehen ohnehin kurz vor dem Aus. Wir möchten unseren Teil dazu beitragen den Musikunterricht wieder in die Schulen zurück zu bringen um den jungen Menschen die Möglichkeit zu geben ein Instrument zu erlernen. Nur so lässt sich Kreativität fördern und Perspektiven schaffen. All dies hat mich in den vergangenen Jahren zeitlich sehr in Anspruch genommen und es macht mir eine Menge Spaß derartige Projekte voran zu treiben.

 

 



LPG: Du hast auch von anderen musikalischen Projekten gesprochen in die du in letzter Zeit involviert gewesen bist. Produzierst Du auch andere Künstler ?

B.C.: Dies und auch Songwriting für und mit anderen Musikern. Aufgrund dessen hat sich dann auch so manche Zusammenarbeit ergeben, wie mit SnoopDog, Chuck D, IceCube oder Samuel L Jackson, die man auf meinem neuen Album hören kann. Obwohl Samuel L. Jackson nun nicht gerade als Musiker bekannt ist. Aber ich bin nun einmal ein Fan seiner Art. Und wie er spricht. Wir hatten bereits zuvor für einen Werbespot mit Tiger Woods zusammengearbeitet, bei dem er als Sprecher mitwirkte und ich die Musik dafür geschrieben habe. Damals steckte ich gerade in der Planung zu meinem neuen Album und habe ihm davon erzählt. Und so kamen wir zusammen. All diesen Künstlern ist eines gemein. Sie haben starke markante Stimmen und Persönlichkeit die etwas bei den Leuten nachhaltig bewirkt. Diese Künstler strahlen Ruhe, Souveränität, Energie und Hoffnung aus. Sie lieben ihre Arbeit und das Leben und haben es sich selbst über viele Jahre hart verdienen müssen.

LPG: Wenn Du über ein neues Album nachdenkst, gibt es da so etwas wie einen „Tag der Entscheidung“ als Initialzündung, wo Du sagst: „jetzt gilt´s, ich mache ein neues Album“ ? Oder bist Du eher jemand, der ähnlich wie Prince, eigentlich immer mit dem Schreiben von neuen Titeln beschäftigt ist ?

B.C.: Ich bin eher so eine Art Ideensammler. Allein für dieses Album habe ich zeitweise einfach nur Sounds als Inspiration aufgenommen. Ansonsten tendiere ich dazu einfach alles was sich in meinem Kopf musikalisch so abspielt irgendwie festzuhalten. Ich habe Unmengen von aufgenommenen Ideen, von denen es ein Großteil wahrscheinlich niemals   auf ein Album schaffen wird. Aber ich denke in diesen Momenten auch gar nicht daran, dass ich eventuell mal wieder ein Album mache. Man kann ja seine Eingebungen und Kreativität nicht davon abhängig machen, ob daraus nun ein Album oder irgendetwas anderes daraus wird. Ideen kommen einfach so und vielleicht entwickeln sie sich auch für einen selbst nicht sofort weiter. Aber allein die Chance darauf zurückgreifen zu können ist sehr wichtig. Diesem Umstand habe ich es beispielsweise auch zu verdanken, mit zwei meiner Songs auf dem neuen Album von SnoopDog vertreten zu sein. Als ich mir meine Aufnahmen damals anhörte kam ich zu der Überzeugung, dass es nicht auf mein Album passen würde, aber eventuell SnoopDog daran Gefallen finden könnte, es für sich zu verwenden. Das ist ja das Großartige daran, dass man in seinem Studio, unabhängig von anderen Leuten, jederzeit alles sofort umsetzen und festhalten kann.

LPG: Und wenn Du so eine Idee hast, wie gehst Du dann vor ? Muss man sich das dann eher so „old school-like“ vorstellen wie zu Zeiten von Parliament Funkadelic, wo man beisammen sitzt und solange jammt bis es funkt, der gehst Du heute aufgrund der technischen Möglichkeiten anders vor ?

B.C.: Ich denke es ist mittlerweile eine Kombination aus beidem, die für mich sehr gut funktioniert. Ist es eine Idee die definitiv eine Band im Studio benötigt, versuche ich diese im Kern aufzunehmen, beispielsweise ein Riff, Sound oder Akkordfolge. Danach gehe ich erst daran, diese Idee auszuarbeiten, ein Arrangement und die geeignete Instrumentierung zu schaffen.

LPG: Arbeitest Du beim Songwriting lieber alleine oder mit anderen Musikern oder Sound Engineer zusammen ?

B.C.: Auch das hängt von der Idee ab. Vor allem wo und wie sich diese ergibt. Wenn Du in diesem Moment natürlich gerade eine Band um dich herum hast, ist das natürlich der ideale Weg diese festzuhalten und auszuarbeiten.

LPG: Ich denke mal zu Zeiten eines James Brown oder George Clinton war das wahrscheinlich anders. Da war doch wohl in erster Linie jammen angesagt, oder ?

B.C.: Oh ja, eigentlich die ganze Zeit über. Eine endlose Jam-Session. Aber das ist es schließlich auch was einen Großteil der Funk Music ausmacht. Du versuchst das entstehen zu lassen was gerade geschieht. „Funk is working what ever you got to work with“. Wenn Du nichts anderes hast als nur eine Gitarre, brauchst aber auch einen Bass, dann suchst Du dir eben die vier Saiten auf der Gitarre, mit denen Du auch den Bass spielen kannst.

 

LPG: Das erklärt natürlich auch die Länge so mancher Titel von Parliament Funkadelic, wo es schon mal zwanzig und mehr Minuten für einen Titel geworden sind, oder ?

B.C.: Ja, stimmt, da hast Du recht. Aber das ist ja auch das Schöne daran. Du bist im Funk einfach auch in der Lage das zu machen. Du hast eine tolle Band um dich herum, spürst die Vibes und jeder will einfach nur spielen. Aber wenn man das nicht hast, muss man sich damit auseinandersetzen eine solche Idee so gut als möglich festzuhalten und steht dann oft vor dem Problem: „Wie um alles in der Welt bringe ich das jetzt auf Tape ?“
In solchen Situationen nehme ich diese Eingebung dann auch nur so einfach wie möglich auf, bereits in dem Wissen, dass die Ausarbeitung einfach Zeit benötigt, ohne mir darüber zuviel Gedanken zu machen. Hauptsache ich habe den Kern der Idee erfasst. Mache ich das nicht, wird die Idee gehen wie sie gekommen ist und die Chance ist verpasst. Ich habe das schon immer so gemacht. Selbst als ich keinen Recorder hatte, habe ich mir antrainiert Ideen so im Kopf zu behalten, dass ich diese später rekonstruieren konnte. Heutzutage ist das natürlich wesentlich einfacher. Es gibt kleine digitale Recorder, Handies, Digi Cams mit denen man aufnehmen kann. Auf der anderen Seite halten solche technischen Innovationen einen auch wieder von der ständigen kreativen Auseinandersetzung mit den eigenen Ideen ab, da man sich daran gewöhnt hat, sich auf die Technik zu verlassen. Ich finde es geht da immer ein bisschen was verloren. Etwas was früher vom Musiker selbst geleistet wurde. So richtig realisiert habe ich das auch erst mit Beginn der Arbeit an diesem Album. Bei einer Session mit Dr. Cornel West gab ich ihm für das Album-Intro das inhaltliche Motto vor, „ We are making smart phones but still making dumb decisions“. Und er sagte „ok, lasst uns aufnehmen“. Er hat sich dazu nichts aufgeschrieben. Kein Skript, einfach „record and go“. Und dasselbe fiel mir auch bei den Aufnahmen mit Samuel L. Jackson auf. Und ich dachte wow, so hätten wir die anderen Sachen auch aufnehmen sollen.

LPG: Wenn man Dein neues Album hört fühlt es sich an wie eine Retrospektive, ein Blick zurück auf Dein Leben, Deine Karriere als Musiker. Kann man das so sehen ?

B.C.: Ja, das ist der gedankliche Ansatz dahinter. Es ist eine musikalische Autobiographie geworden. Es geht zurück in die Zeit, als ich Menschen begegnet bin, die mein Leben maßgeblich beeinflusst, meine Karriere geprägt und möglich gemacht haben. Es sind meine musikalischen Helden, die mich inspiriert haben. Und ich möchte dass die da oben im Himmel wissen, „hallo, ich bin´s Bootsy“. Ich bin in einer Zeit mit großartigen Musikern in die Szene gekommen. Insbesondere aus dem Jazz. Und die Möglichkeit mit diesen phantastischen Musikern zusammen sein zu dürfen, war für mich als junger Mensch einfach ein unglaubliches Erlebnis. Ich habe ihre Musik förmlich aufgesaugt. Und das mir das bis heute selbst eine solche Karriere ermöglicht hat, dafür bin ich sehr dankbar. Insofern ist dieses Album auch ein Tribute an all diese Musiker.

LPG: Auf deinem neuen Album finden sich auch viele aufwändig orchestrierte Stücke mit sehr schönen Streicher- und Bläser-Arrangements. Wäre schön so etwas auch mal live erleben zu können, was natürlich sehr aufwändig ist. Gibt es da Pläne deinerseits ?

B.C.: Ja, das wäre mein Traum. Mit einem richtigen Orchester und meiner Band auf der Bühne. Das Problem ist natürlich dieses Wahnsinns-Budget das man für eine solche Produktion benötigt. Aber so höre ich diese Musik nun einmal, wie sie meiner Meinung nach klingen muss. Und ich möchte es auf jeden Fall so umsetzen wenn sich die Möglichkeit dazu ergibt. Aber ich bin momentan noch nicht an dem Punkt was die Planungen für eine solche Tour anbelangt. Vielleicht wäre so etwas aber denkbar in Zusammenarbeit mit guten Orchestern von Schulen und Universitäten.

 

                              

 


LPG: Arbeitest Du aufgrund Deiner Kontakte zu Film- und TV-Stars sowie Menschen aus dem Umfeld dieser Branche auch als Filmmusikkomponist ?

B.C.: Nun, was Animationsfilme anbelangt habe ich da schon einiges in dieser Richtung gemacht. Aber als Komponist für Filmmusik bin ich noch nicht besonders in Erscheinung getreten. Aber tatsächlich ist auch das ein Gebiet welchem ich mich in Zukunft stärker widmen möchte weil ich glaube das mir eine solche Arbeit liegt und jede Menge Spaß bereitet. Das letzte was ich da gemacht habe ist die Musik zu dem Comedy Movie „Superbad“ (2007).

LPG: Eines Deiner Markenzeichen ist ja auch, dass es unabhängig von musikalischen Trends und studiotechnischen Errungenschaften immer der typische Bootsy-Sound geblieben ist. Da würde uns interessieren inwieweit Du mit all diesen technischen Errungenschaften moderner Aufnahmetechnik vertraut bist.

B.C.: Gewöhnlich nehme ich die Sessions meiner Band im Studio selbst auf eine analoge Mehrspur auf. Später kommt dann mein Engineer Toby Donahue und wir überspielen die Sachen in ProTools und machen dort das gesamte Editing und die Mixe. Wenn ich mit anderen Tontechnikern zusammen arbeite lege ich stets großen Wert darauf, dass sie sich klanglich und technisch mit dem auseinandersetzen wie ich meine Musik hören möchte. Ich nutze die moderne Technik und finde es großartig was die jungen Produzenten und Tontechniker heute so drauf haben. Allerdings funktioniert das für mich und meine Musik nur insoweit, als es mir Prozesse erleichtert und wirkliche Verbesserungen bringt. Vor allem aber darf es mir nichts von der Spontanität und den Vibes nehmen die meine Musik ausmachen.

LPG: Bootsy, ich fürchte wir müssen hier leider Schluss machen, da mich sonst Ron, Dein Manager rausschmeißt. Er hat schon auf die Uhr geschaut. Vielen Dank und alles Gute.

B.C.: Haha, vielen Dank. Hat Spaß gemacht.



Text & Interview: LPG

Fotos: Warwick